Wenn das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft durch eine Handlung, die Gegenstand eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens ist, gleichzeitig seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft verletzt hat, muss die Hauptversammlung einer Übernahme der Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage durch die Gesellschaft zustimmen.
Die Gesellschaft kann die Bezahlung einer Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage, die gegen ein Vorstandsmitglied verhängt wurde, nicht in jedem Fall allein aufgrund eines Beschlusses des Aufsichtsrats übernehmen. Wenn die von dem Vorstandsmitglied begangene Straftat gleichzeitig eine Pflichtverletzung gegenüber der Aktiengesellschaft ist, muss entsprechend § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG die Hauptversammlung einer Übernahme der Sanktion durch die Gesellschaft zustimmen.
Ein Verzicht auf die Darlehensrückzahlung ist nicht schon wegen Begünstigung oder Strafvereitelung nach §§ 257, 258 StGB verboten. Die Zahlung einer Geldstrafe durch die Gesellschaft erfüllt weder den Tatbestand der Begünstigung noch der Strafvereitelung. Erst recht gilt dies für die Übernahme einer Geldauflage bei einer Einstellung des Straf- oder Ermittlungsverfahrens nach § 153a StPO.
Aktienrechtlich muss die Hauptversammlung einer Übernahme der Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage durch die Gesellschaft zustimmen, wenn das Vorstandsmitglied durch eine Handlung, die Gegenstand eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens ist, gleichzeitig seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft verletzt hat.
Im Schrifttum ist umstritten, ob die Übernahme einer Geldsanktion allein vom Aufsichtsrat beschlossen werden kann. Nach einer Ansicht ist § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG auf derartige Übernahmen von Geldbußen nicht anwendbar, da die Vorschrift eine unmittelbare Schädigung des Gesellschaftsvermögens durch das Handeln eines Organmitglieds voraussetze. Die Übernahme sei vielmehr zulässig, wenn sie nach einer pflichtgemäßen Abwägung des Einflusses der Erstattung auf das Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit, auf die Arbeitsmoral sowie die künftige Gesetzestreue der Betroffenen und der Belegschaft mit der Schuld des Betroffenen und dem Schaden für die Gesellschaft unternehmerisch vertretbar sei.
Eine weitere Ansicht hält die Erstattung der einem Vorstandsmitglied auferlegten Geldstrafe oder auflage entsprechend den Grundsätzen der sogenannten ARAG/Garmenbeck, Entscheidung des Bundesgerichtshofs ausnahmsweise für zulässig, wenn gewichtige Gründe des Unternehmenswohls wie negative Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit und das Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit, Behinderung der Vorstandsarbeit oder die Beeinträchtigung des Betriebsklimas dies verlangten.
Nach der überwiegend vertretenen Meinung ist die Übernahme einer dem Mitglied des Vorstands einer Aktiengesellschaft auferlegten Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage wegen eines im Verhältnis zur Gesellschaft pflichtwidrigen Verhaltens dagegen nur unter den in § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG genannten Voraussetzungen zulässig. Sie dürfe frühestens drei Jahre nach der zur Last gelegten Vollendung der Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit sowie nach Zustimmung der Hauptversammlung erfolgen, sofern sich die Straftat gegen die Gesellschaft richtete. Teilweise wird dem Aufsichtsrat dabei ein Beurteilungsermessen zuerkannt, ob eine Pflichtwidrigkeit vorliegt.
Der Aufsichtsrat kann, wenn eine Pflichtwidrigkeit gegenüber der Gesellschaft vorliegt, die Übernahme einer Strafsanktion auf die Gesellschaft nicht wirksam beschließen. Das ist entsprechend § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG vielmehr Sache der Hauptversammlung. Bei der Beurteilung, ob eine Pflichtwidrigkeit vorliegt, steht dem Aufsichtsrat kein Handlungsermessen zu; maßgebend ist vielmehr die objektive Rechtslage.
Die Entscheidung über die Übernahme einer Geldstrafe, Geldauflage oder Geldbuße ist entsprechend der Regelung zum Verzicht in § 93 Abs. 4 AktG der Hauptversammlung vorbehalten. Auf die Erstattung einer Strafsanktion durch die Gesellschaft sind die Grundsätze von § 93 AktG anzuwenden. § 93 AktG soll ausschließen, dass der Vorstand durch eine pflichtwidrige Handlung der Gesellschaft dauerhaft einen Nachteil zufügt. Wenn die Gesellschaft dem Vorstand eine strafrechtliche Sanktion ersetzt, die für eine Handlung verhängt wird, die gleichzeitig gegenüber der Gesellschaft pflichtwidrig ist, fügt sie sich einen Nachteil zu, den nach § 93 AktG eigentlich der Vorstand zu tragen hätte. Sie verursacht einen Schaden oder vertieft ihn, wenn er aufgrund der Pflichtverletzung bereits eingetreten ist. Wenn der Schaden erst durch einen Beschluss des Aufsichtsrats als Organ der Gesellschaft eintritt, der durch die Sorge um die Publizität der Vorwürfe und eine Rufschädigung der Gesellschaft veranlasst wird, schließt dies die Verursachung des Schadens durch die Pflichtverletzung nicht aus. Ein Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden liegt auch vor, wenn eine selbstschädigende Handlung des Verletzten durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert oder wesentlich mitbestimmt worden ist und eine nicht ungewöhnliche Reaktion darauf darstellt (sogenannter “Herausforderungsfall”, st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 02.07.2013 – II ZR 293/11, ZIP 2013, 1577 Rn. 12 mwN).
Einen solchen Vermögensnachteil kann der Aufsichtsrat nicht ohne Zustimmung der Hauptversammlung beschließen. Der Aufsichtsrat ist im Gegenteil in der Regel verpflichtet, Ansprüche wegen einer vom Vorstand begangenen Pflichtverletzung zu verfolgen, und darf die Gesellschaft nicht noch zusätzlich schädigen. Die in der Übernahme der Sanktion liegende Schädigung der Gesellschaft geht über das einem Aufsichtsrat in Ausnahmefällen zum Wohl der Gesellschaft mögliche Absehen von der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen hinaus. Sie beschränkt sich nicht in passivem Verhalten, sondern enthält eine aktive Leistung der Gesellschaft. Sie führt ähnlich einem Verzicht auf Schadensersatzansprüche, zu dem nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung die Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich ist (§ 93 Abs. 4 Satz 3 AktG), zu einer dauerhaften Vermögenseinbuße der Gesellschaft.
Die Einschaltung der Hauptversammlung entspricht auch dem Zweck der Regelung von § 93 Abs. 4 AktG, die dem Schutz des Gesellschaftsvermögens und der Minderheitsaktionäre dient. Mit der Zahlung der Geldsanktion fügen die Aufsichtsräte der Gesellschaft bewusst einen Vermögensnachteil zu. Das Vermögen der Gesellschaft steht wirtschaftlich aber nicht dem Aufsichtsrat, sondern den Aktionären zu, so dass diese berufen sind, eine solche Selbstschädigung zu beschließen, soweit der Schutz der Gesellschaftsgläubiger gewahrt bleibt. Durch das Erfordernis einer Zustimmung der Hauptversammlung soll auch der Gefahr einer kollegialen Verschonung des Vorstands oder einer Selbstenthaftung der Organe vorgebeugt werden. Diese Gefahr besteht in besonderem Maße bei der Erleichterung einer stillschweigenden Beendigung von Straf- oder Ermittlungsverfahren für das Vorstandsmitglied durch die Übernahme einer verhängten Sanktion. Der Aufsichtsrat kann daran ein besonderes Interesse haben, um zu vermeiden, dass mit dem Bekanntwerden der dem Vorstand vorgeworfenen Pflichtverletzungen eine unzureichende Kontrolle durch den Aufsichtsrat aufgedeckt wird.
Liegt dagegen keine Pflichtverletzung durch den Vorstand vor, kann der Aufsichtsrat beschließen, die Geldstrafe, Geldauflage oder Geldbuße zu übernehmen. Der Aufsichtsrat hat insoweit aber kein Ermessen, eine Pflichtwidrigkeit zu verneinen und sich so die alleinige Kompetenz zur Übernahme der Strafsanktion zu bewilligen. Bei der Beurteilung, ob das Verhalten des Vorstands pflichtwidrig ist, geht es nicht um ein unternehmerisches Handlungsermessen, sondern um Fragen des Erkenntnisbereichs, für die von vorneherein allenfalls die Zubilligung eines begrenzten Beurteilungsspielraums in Betracht kommen kann. Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Frage, ob ein Pflichtenverstoß vorliegt, für die Übernahme einer strafrechtlichen Sanktion von Bedeutung ist. Zudem ist hier die Zuständigkeitsverteilung zwischen Hauptversammlung und Aufsichtsrat berührt, die nicht in das Ermessen des Aufsichtsrats gestellt ist.
Dagegen spricht auch nicht, dass der Aufsichtsrat unter Umständen zu einem Zeitpunkt über die Übernahme einer straf- oder bußgeldrechtlichen Sanktion befinden soll, zu der ihm die zu einer Beurteilung erforderlichen Informationen noch nicht vollständig vorliegen, etwa vor dem Ende des Ermittlungs- oder Strafverfahrens. Er kann in diesem Fall eine vorläufige Regelung treffen, etwa dem Vorstand einen Vorschuss oder ein Darlehen unter dem Vorbehalt der Rückforderung nach abschließender Prüfung gewähren.
Ein Schaden der Gesellschaft durch die Zahlung der Geldsanktion entfällt nicht von vorneherein, weil der Vorstand mit der Zustimmung zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens und dem Verzicht auf einen möglichen Freispruch eine Gegenleistung erbracht hat. Die Zustimmung zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens und der Verzicht auf eine öffentliche Erörterung der Vorwürfe in einer Hauptverhandlung sind keine Leistung in das Vermögen der Gesellschaft, die den durch die Zahlung der Strafsanktion eintretenden Vermögensschaden ausgleicht. Dabei lässt die Gegenansicht zudem außer Acht, dass die Aktionäre und die Gläubiger der Gesellschaft, wenn in der vorgeworfenen Straftat gleichzeitig ein pflichtwidriges Handeln gegenüber der Gesellschaft liegt, das zu einem Schaden geführt haben kann, regelmäßig ein Interesse daran haben, dass die Vorwürfe geklärt werden und gegebenenfalls Ersatzansprüche geltend gemacht werden, und nicht, dass der Aufsichtsrat durch die Übernahme der strafrechtlichen Sanktion eine Aufklärung verhindert.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Juli 2014 – II ZR 174/13
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