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EU-weite Vollstreckung von Geldstrafen und Bußgeldern

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Gestern ist das “Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2005/214/JI des Rates vom 24. Februar 2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen (EuGeldG) im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Es ist daher heute in Kraft getreten. Damit ist der EU-Rahmenbeschluss nunmehr in 22 EU-Staaten umgesetzt.

Mit diesem Gesetz wurde der europäische Rahmenbeschluss über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen in Deutschland umgesetzt. Gesetzestechnisch erfolgt die Umsetzung dadurch, dass entsprechende Regelungen in das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) eingefügt wurden. Ziel des EU-Rahmenbeschlusses ist es, die grenzüberschreitende Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen in der Europäischen Union zu ermöglichen. Geldstrafen und Bußgelder aus Deutschland können also zukünftig in den anderen EU-Staaten ebenso vollstreckt werden, wie die dortigen Geldsanktionen hier in Deutschland.

Ab heute können Sie nicht daher mehr darauf verlassen, dass eine Geldsanktion aus einem anderen EU-Staat in Deutschland nicht vollstreckt wird.

Vollstreckbare Geldsanktionen[↑]

Das Gesetz gilt für Geldsanktionen aller Art, die in den EU-Mitgliedsstaaten verhängt werden, so etwa für

  • Geldstrafen und Geldbußen einschließlich der Verfahrenskosten
  • Opferentschädigungen und Geldauflagen für Opferunterstützungsorganisationen

Die Vollstreckungsmöglichkeit besteht für alle gerichtliche Entscheidungen sowie für behördliche Entscheidungen, soweit sie vor einem auch für Strafsachen zuständigen Gericht angefochten werden können. Die Sanktionen können sich sowohl gegen natürliche als auch juristische Personen wie etwa Unternehmen richten.

Vollstreckbar sind allerdings nur zukünftige Entscheidungen. Stichtag hierfür ist die Verkündung des EuGeldG, also der 27. Oktober 2010. Bei der Anwendung dieser Stichtagsregelung besteht allerdings ein Unterschied zwischen behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen:

  • Gerichtlichen Entscheidungen können in Deutschland vollstreckt werden, wenn sie nach dem 27. Oktober 2010 rechtskräftig wurden, auch wenn die Verkündung der gerichtlichen Entscheidung vor diesem Stichtag  erfolgte.
  • Behördliche Entscheidungen können in Deutschland vollstreckt werden, wenn sie nach dem 27. Oktober 2010 erlassen wurden.

Vollstreckungsausschlüsse[↑]

Das Bundesamt für Justiz hat die Vollstreckung in bestimmten Fällen abzulehnen. Dies gilt insbesondere

  • wenn die verhängte Geldsanktion unter 70,- € liegt;
  • wegen des Verbots der Doppelbestrafung (“ne bis in idem”), wenn die betroffene Person wegen derselben Tat auch in Deutschland im Rahmen eines Strafverfahrens oder eines Ordnungswidrigketisverfahrens verfolgt wird und gegen sie bereits eine verfahrensabschließende Entscheidung ergangen ist;
  • wenn für die zugrundeliegende Tat auch die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben ist und die Vollstreckung nach deutschem Recht bereits verjährt ist:
  • wenn die betroffene Person nach deutschem Recht aufgrund ihres Alters strafrechtlich nicht verantwortlich handelte, also noch Strafunmündig ist;
  • wenn die betroffene Person in Deutschland strafrechtliche Immunität genießt;
  • wenn die betroffene Person im Falle eines schriftlichen Verfahrens nicht über ihre Möglichkeiten zur Anfechtung und über bestehende Fristen informiert wurde;
  • wenn die betroffene Person im Falle von Abwesenheitsurteilen nicht die Möglichkeit hatte, sich in einem mündlichen Termin zu äußern;
  • wenn eine ausländische gerichtliche oder behördliche Bescheide, die schriftlich zugestellt wurde, ihrem wesentlichen Inhalt nach nicht in eine für die betroffene Person verständliche Sprache übersetzt ist; Schreiben aus dem Ausland für in Deutschland lebende Betroffene müssen also in der Regel zumindest hinsichtlich der Kernaussagen eine deutsche Übersetzung enthalten;
  • wenn der betroffenen Person oder ihrem Rechtsbeistand in dem ausländischen Verfahren weder schriftlich noch mündlich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde, und ist dies für das Bundesamt für Justiz erkennbar ist;
  • oder wenn die betroffene Person in dem ausländischen Verfahren keine Gelegenheit hatte einzuwenden, dass sie für die verfolgte Handlung nicht verantwortlich ist, und sie dies gegenüber dem Bundesamt für Justiz geltend macht.

Keine verschuldensunabhängige Haftung[↑]

Das Bundesamt für Justiz hat ein ausländisches Ersuchen zurückzuweisen, wenn gegen die betroffene Person eine Sanktion vollstreckt werden soll, ohne dass es auf ihr Verschulden ankam. Dies betrifft insbesondere die Fälle der sogenannten Kfz-Halterhaftung, bei denen ein Fahrzeughalter sanktionsrechtlich in Anspruch genommen wird, auch wenn nicht erwiesen ist, dass er selbst den Verkehrsverstoß begangen hat.

Die Zurückweisung durch das Bundesamt für Justiz erfolgt in diesem Fall jedoch nicht automatisch von Amts wegen, erforderlich ist, dass sich die betroffene Person im Rahmen ihrer Anhörung gegenüber dem Bundesamt für Justiz darauf beruft, dass sie nicht verantwortlich ist, weil ein Fall der Halterhaftung vorliegt.

Verjährung[↑]

Hinsichtlich der Verjährung ist zu unterscheiden, ob für die Tat auch eine deutsche Gerichtsbarkeit gegeben ist, etwa weil die Tat sowohl im Ausland als auch im Inland begangen wurde.

Ist eine deutsche Gerichtsbarkeit nicht gegeben, ist die Vollstreckung der ausländischen Entscheidung grundsätzlich solange zulässig, wie sie nach dem Recht des ersuchenden Staates noch nicht verjährt ist.

Ist dagegen auch eine deutsche Gerichtsbarkeit gegeben, ist zusätzlich noch erforderlich, dass die Verfolgung nach deutschem Recht ebenfalls noch nicht verjährt ist.

Vollstreckung “zu hoher” Sanktionen[↑]

Im Rahmen der Vollstreckung wird die Entscheidung des anderen EU-Mitgliedsstaats grundsätzlich so akzeptiert, wie sie dort gefällt wurde. Es können also auch ausländische Bescheide vollstreckt werden, die in dieser Höhe für dasselbe Verhalten in Deutschland so nicht ergangen wären.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sieht das Gesetz allerdings vor: Eine Anpassung an das innerstaatliche Höchstmaß findet ausnahmsweise dann statt, wenn die Tat, wegen der der Bußgeldbescheid erlassen wurde, nicht auf dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates begangen wurde  und für diese Tat auch eine deutsche Gerichtsbarkeit besteht; wenn also beispielsweise die Tathandlung in Deutschland ausgeführt wurde, die Folgen sich aber in einem anderen EU-Staat eingestellt (und damit die dortige Gerichtsbarkeit ausgelöst) haben.

Das Vollstreckungsverfahren[↑]

Zuständig für die Prüfung der Zulässigkeit, die Bewilligung und die Vollstreckung der Geldsanktionen in Deutschland ist das Bundesamt für Justiz in Bonn.

Lediglich bei der Vollstreckung von Geldstrafen gegen Jugendliche oder gleichgestellte Heranwachsende entscheidet das örtlich zuständige Amtsgericht auf Antrag des Bundesamtes für Justiz über die Zulässigkeit der Vollstreckung. Das Bundesamt für Justiz bewilligt danach die Vollstreckung nach Maßgabe der amtsgerichtlichen Entscheidung.

Auch die Vollstreckung von Geldsanktionen gegen juristische Personen und zur Opferentschädigung muss zunächst durch ein Gericht auf Antrag des Bundesamtes für Justiz für zulässig erklärt werden. Auf der Grundlage dieser gerichtlichen Entscheidung bewilligt dann das Bundeamt für Justiz die Vollstreckung, bei einem Einspruch gegen diesen Bewilligungsbescheid entscheidet hierüber wiederum das Amtsgericht.

Vor dem Erlass der Bewilligungsentscheidung hat das Bundesamt für Justiz die betroffenen Personen anzuhören. Dies erfolgt regelmäßig dadurch, dass binnen zwei Wochen nach Zugang des Anhörungsschreibens hierzu Stellung genommen werden kann.

Rechtsmittel[↑]

Gegen den Bewilligungsbescheid des Bundesamtes für Justiz kann innerhalb einer Frist von zwei Wochen Einspruch eingelegt werden. Hilft das Bundesamt für Justiz dem Einspruch nicht ab, wird das Verfahren an das für den Wohnsitz des Betroffenen örtlich zuständige Amtsgericht abgegeben. Hält das Amtsgericht den Einspruch (etwa wegen Fristversäumnisses) für unzulässig, so verwirft es den Einspruch durch unanfechtbaren Beschluss.

Andernfalls überprüft das Gericht die Bewilligungsentscheidung im Hinblick auf die Zulässigkeit und die Bewilligungsfähigkeit des Ersuchens. Die Richtigkeit der zu vollstreckenden ausländischen Entscheidung wird dabei allerdings nicht überprüft. Hält das Gericht den Einspruch zwar für zulässig, aber für unbegründet, weist es den Einspruch zurück. Hiergegen kann der Betroffene Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht einlegen. Die Rechtsbeschwerde ist allerdings nur zugelassen, wenn die Überprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist oder wenn der amtsgerichtliche Beschluss wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben ist.

12. Was ist, wenn die Tat, die der ausländischen Geldsanktion zugrunde liegt, schon sehr weit zurückliegt?

Die Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung ist grundsätzlich zulässig, solange sie nach dem Recht des ersuchenden Staates nicht verjährt ist. Die Verjährung nach deutschem Recht spielt nur dann eine Rolle, wenn auch eine inländische Gerichtsbarkeit gegeben ist. Dies ist etwa der Fall, wenn die in Frage stehende Tat sowohl im Ausland als auch im Inland begangen wurde (z. B.: grenzüberschreitender Verkehrsverstoß).


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